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QUEERTANGO ZÜRICH NOVEMBER 2020

Inhalt

▪ Brief des Herausgebers
▪ Was, Wann, und Wo
▪ Fokus auf unsere QueerTango Gemeinschaft: Community-Stimmen
▪ Kontakt Informationen
Link to the International/English Edition


Brief des Herausgebers

Liebe Queer Tango Tanzende,

Die gute Nachricht ist, dass die COVID-19-Zahlen zurückgehen. Das bedeutet auch, dass der lange und herausfordernde Winterschlaf von Queer Tango eines Tages vorbei sein wird und warme Tango-Umarmungen wie Winterkrokusblüten wieder auftauchen werden.

Das Tolle daran, dass Queer Tango ein Gesellschaftstanz ist, ist, dass wir dabei auch Freunde finden. Freunde, mit denen wir, auch wenn wir im Moment nicht sicher zusammen tanzen können, immer noch befreundet sind und mit denen wir durch technologische Mittel im Kontakte bleiben können ... Festnetz, Mobiltelefone, Zoom, Facetime, WhatsApp und so weiter. Und indem wir die Verbindung mit unseren Freunden aufrechterhalten, pflegen wir unsere Gemeinschaft und unterstützen gleichzeitig Menschen, die sich vielleicht sozial isoliert fühlen. Eine warme Stimme, ein warmes Lächeln kann in Abwesenheit einer Tango-Umarmung Wunder bewirken. (Wenn Ihr eine Weile nicht mit Bekannten im Queer Tango gesprochen habt, könnte dies ein guter Zeitpunkt sein, die Hand auszustrecken).

Da ich diesen Monat eine Frage verschickt habe (siehe den Abschnitt über unsere Gemeinschaft weiter unten), hatte ich das Glück, mit Leuten in Kontakt zu sein, mit denen ich mich normalerweise nur bei Tangoveranstaltungen austausche. Manchmal war es nur durch Text, manchmal durch Video – in jedem Fall war es schön, in Kontakt zu sein, sich zu erkundigen, wie wir mit der Pandemie zurechtkommen, über Queer Tango zu diskutieren, Gedanken auszutauschen und anschliessend über diese Interaktionen und Ideen nachzudenken. Speziell eingeprägt hat sich mir ein Gespräch mit Daniel und Reto darüber, wie Appenzell Innerrhoden (AI) 1991 der letzte Schweizer Kanton wurde, der Frauen das Stimmrecht bei lokalen Fragen gewährte. Reto erwähnte auch, dass traditionell die Männer ihr Schwert zur Abstimmung erhoben, ein Schwert das über Generationen vom Vater an den Sohn weitergegeben wurde. Zufälligerweise sahen Bernd und ich gerade am nächsten Tag die Plakatausstellung im Museum für Gestaltung Zürich, und wir stiessen auf ein Plakat des Ausschusses im Kanton Zürich gegen das Frauenwahlrecht von 1946. Im Gegensatz zu einem erhobenen Schwert handelte es sich bei der Grafik um einen Rohrstock-Teppichklopfer. Und darunter die Inschrift: "FRAUENSTIMMRECHT nein". Dann. Und jetzt. Wir haben einen so langen Weg zurückgelegt. Und es bleibt noch viel zu tun für eine völlig gleichberechtigte und offene Gesellschaft.

Das erinnert mich an die fortschrittliche Zürcher Gesellschaft und ihre heutige Stadtpräsidentin Corine Mauch. Den Leuten ist es egal, dass sie eine Frau ist. Oder dass sie mit einer Frau verheiratet ist. Entscheidend ist, wie Stadtpräsidentin Mauch regiert. So wie es sein sollte. Vielleicht nicht mit der Geschwindigkeit, die wir uns wünschen, aber die Zeiten ändern sich weiter, mit mehr egalitären Rechten für eine vielfältige Bevölkerung. Und vielleicht ist der Queer Tango ein gutes Beispiel dafür, was in einer fortschrittlichen Gesellschaft möglich ist.

Liebe Grüsse,
Marc Vanzwoll


WAS, WANN, und WO QueerTango Zürich

Am 28. Oktober 2020 kündigte der Bundesrat neue COVID-19-Massnahmen an, weshalb Chante Clair vorübergehend geschlossen bleibt. Die November QueerTango Zürich Milonga vom 27. November 2020 muss deshalb leider abgesagt werden.


Fokus auf unsere QueerTango Gemeinschaft: Community-Stimmen

Der Wechselseitige Austausch zwischen Traditionellem und Queer Tango

Als Zürcher Queer-Tango-Tänzerinnen und Tänzer und als Teil der globalen Queer-Tango-Gemeinschaft nehmen wir Elemente direkt aus dem traditionellen Tango und entwickeln sie weiter, so dass sie unseren Bedürfnissen entsprechen. Dabei schaffen wir nicht-traditionelle Aspekte des Tangos, die für LGBTQ-Tanzende geeignet sind. Ist dies eine Einbahnstrasse? Oder beeinflusst und fördert der Queer Tango umgekehrt auch die Entwicklung des traditionellen Tangos? Wir haben Euch gefragt und im Folgenden einige Eurer aktuellen Gedanken und Überlegungen zusammengestellt.

Warum Queer Tango?

„Beiden Rollen zu tanzen ist eine Erweiterung und Bereicherung. Ich würde sogar sagen, der Tango ist für Jemanden erst komplet, wenn beide Rollen getanzt werden. Leider sind für viele TänzerInnen Rolle und Gender (zu) fest verbunden. Natürlich geniesse ich es als schwulen Mann umso mehr, mit einem Mann zu tanzen; was mir aber am wichtigsten ist, ist eine schönen Tanda zu erleben, egal welche Rolle und welches Gender der oder die PartnerIn hat.“ Alain Zurbuchen

„Mit der Auflösung der normativen Geschlechterrollen wird (für mich) die Kommunikation im Tanz vielfältiger und gleichwertiger.“ Barbara Käser

„Der Tango hat so viele Gesichter wie Menschen, die ihn tanzen. Der Mensch hat so viele Gesichter, wie er zulässt. Ich mag es, meinem inneren Völkchen Raum zu gewähren, zu leben, wie es ihm beliebt.
Queer ist einer dieser Freiräume, wo ich zwischen Rollen switchen kann. Queer vervielfacht die Interaktiosmöglichkeiten mit dem Gegenüber, erweitert den Erfahrungshorizont. Eine veritable Frischzellenkur – so bleibt der Tango lebendig und erfindet sich immer wieder neu.“ Daniela Huser

Jemand von Euch sagte auch, dass wir möglicherweise zwischen sozialen und leidenschaftlichen Tandas und Kulturen unterscheiden müssen, oder zwischen offenen und engstirnigen und nicht nur zwischen LGBTQI- und Heterokulturen. Und Ihr habt vorgeschlagen, diese Frage neu und auf nicht-binäre Weise zu stellen.

Welchen Einfluss hat Queer Tango?

Einige von Euch haben gesagt, dass der Einfluss des Queer Tango auf den traditionellen Tango weniger das Wachstum als vielmehr die Qualität betrifft. Ihr habt zum Beispiel gesehen, dass die Toleranz in der traditionellen Tango Gemeinschaft zugenommen hat.

Ihr habt auch gesagt, dass der Queer Tango dazu beitragen kann, traditionelle Rollen und Regeln in der breiteren Tango-Gemeinschaft aufzubrechen, und dass diese Erweiterung der Perspektiven den Tanz zu einer besseren Erfahrung für alle machen kann. Mit Euren Worten: "Tango sollte ein Tanz für alle sein, unabhängig von der sexuellen Orientierung. Die Freude am Tanz und der Enthusiasmus kennen kein Geschlecht und keine Zugehörigkeit - jeder kann und sollte die Rolle im Tanz übernehmen, die zu ihr oder ihm passt und Freude bereitet. Dem ‚Tango‘ ist es egal, wer ihn tanzt - Hauptsache, man spürt die Freude und Leidenschaft. Die LGBT-Community kann selbstbewusst auf ihre Einzigartigkeit verweisen - es gibt für uns keine Grenzen - wir sind offen und frei".

Mit frischen Bildern und seiner Ausstrahlung zieht der Queer Tango mit Sicherheit Tänzer aus Bevölkerungsgruppen an, die bei der Schaffung neuer Generationen von Tangotänzern oft übersehen werden.

„Queer Tango hat sicher einen Einfluss auf das Wachstum und die Entwicklung des Tangos. Da beim Queer Tango die Tanzpartner oft führen und folgen können, wird die Rolle des Gegenübers bewusster wahrgenommen. Man kann sich darüberhinaus einfacher in die Tanzpartnerin oder den Tanzpartner versetzen, sich vorstellen, was die andere Person beim Tanzen empfindet.
Je mehr gleichgeschlechtliche Paare in einer traditionellen Milonga tanzen, desto mehr bietet das traditionellen Tangotänzern* Ansporn, es gleich zu tun [und mehrere Rollen zu erproben]. Es ergeben sich mehr Möglichkeiten, den Tango zu erleben und das Können zu verbessern. Und dies führt zu einer selbstbewussteren Haltung, sich in der Tangowelt zu bewegen. Dies führt wiederum zu mehr Tango Tanzenden.” Isabelle Macciacchini

Queer Tango hilft nicht nur, das Verständnis und das Können zu verbessern, Queer Tango stellt auch die Geschlechterrollen direkt in Frage. Das Tango-Lexikon enthält inzwischen gebräuchliche Phrasen wie "Queer Tango", "Open-Role", "Same-Sex", "Women Leaders", "Male Followers", "Role Exchange" und "Intercambio", und es gibt Kurse/Workshops die sich auf diese Tangothemen konzentrieren. Vielleicht reflektiert die Queer-Tango-Gemeinschaft damit auch eher eine fortschrittliche Zürcher Gesellschaft, da es bei ihr nicht auf Geschlecht, Sexualität oder Rolle ankommt, sondern vielmehr auf die Qualität des Tangos Erlebnisses.

„Der Tango hat sich mit dem Wandel der Zeit verändert. So wie heute mehr Frauen als früher in einer Büroumgebung arbeiten, während sich mehr Männer als früher um Kinder kümmern. Ich denke, dass Menschen unabhängig vom Geschlecht im Tango beide Rollen tanzen können sollten, wie das bei vielen Queer-Tango-Tänzerinnen und -Tänzern der Fall ist. Wenn man beide Rollen im Tango ausdrücken kann, ist dies meiner Meinung nach ideal für traditionelle wie auch für Queer-Tango-Tanzende. Ich bin eine Frau und agiere meistens als Folgende, aber ich glaube, in meinem Körper steckt der Macho eines Führenden. Ich glaube, es ist der Reiz des Tangos, dass ich mich innerlich und äußerlich voll und ganz zeigen kann. Wenn man beide Rollen gut einnehmen kann, kann man meiner Meinung nach am freisten und glücklichsten Tango tanzen. Das liegt daran, dass viele, wenn nicht alle Menschen das Potenzial haben, beide Rollen zu spielen. Von diesem Standpunkt aus gesehen können Alle - Führende oder Folgende - den Tango auf die Ebene der Kunst bringen, wo sie beide Rollen wie Queer-Tango-Tanzende ausdrücken können.
Heute wollen viele Tangotänzerinnen und Tangotänzer alle Details des Tangos kennen, unabhängig von Geschlecht oder Rolle. Die Menschen wollen alles über den Tango lernen, seine Aspekte für Führende und für Folgende. Ich denke, dies wird den Tango neu definieren - wegen des Queer Tangos. Wir beobachten den Queer Tango mehr als früher". Doy Jeung

Was hält die Zukunft bereit?

„Seit Generationen diskutieren wir in der Mainstream Tangoszene, wie die fixierten und überholten Geschlechterrollen im Tango zu ändern wären. Doch bis jetzt ist es uns kaum gelungen, die Muster zu durchbrechen. Die Queer Tango Szene hat von Grund auf einen anderen Ansatz. Sie bietet der Mainstream Tangoszene eine funktionierende, fröhliche Alternative und kann ein Vorbild für Veränderungen sein.“ Karin Schneider

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Ein Wort des Dankes: Ich bin allen dankbar, die auf meine Fragen geantwortet haben. Dazu gehören neben den oben genannten Personen auch Be, Karin und Reto. Ich bin auch allen dankbar, mit denen ich die Ideen dieses Artikels diskutieren durfte, darunter Leslie Fernandez, Brigitta Winkler und Karen Curtis. Und nicht zuletzt auch Bernd Kasmir, meinem Mann, für seine Hilfe bei der Redaktion und Übersetzung dieses Artikels und Newsletters.


Kontakt Informationen des Herausgebers

Marc Vanzwoll
Tangolehrer – Klassen, Workshops, Privatstunden

+41 (0)79 474 10 37
info@queertango.ch
QueerTango Zürich


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Alle Inhalte, insbesondere Texte, Fotografien und Grafiken sind urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, einschließlich der Vervielfältigung, Veröffentlichung, Bearbeitung und Übersetzung, bleiben QueerTango Zürich vorbehalten.

Wie sollte Queer Tango in Zukunft aussehen?

Offene Aufforderung: Das Queer-Tango-Projekt bittet in fast jedem Format um Antworten auf diese Frage, die in die "Queer-Tango-Zukunft" einfließen sollen - sein nächstes eBook soll helfen, die Zukunft des Queer-Tango zu gestalten. Wir begrüssen Beiträge in Englisch und Spanisch.

Der Einsendeschluss für Beiträge ist der 31. Januar 2021.
Email: queertangofutures@gmail.com

 
 
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